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Sonntag, 14. August 2011

LINTHPARK-Akademie: Leben wir in einer Identitätskrise?

Juni 1963 - Kennedy: "Ich bin ein Berliner!"


Wie wichtig ist für ein friedliches Miteinander zu wissen, wer wir sind. In einer zunehmend globalen Welt sind wir jemand anders, als da wo wir leben, wohnen, arbeiten. Haben wir unwillkürlich zunehmend mehrere Pässe oder Identitätskarten, weil wir anderswo geboren wurden, als wir als “Flüchtlinge” leben? Allein das Wort schon ist eine Diffamierung. Denn nicht jeder ist auf der Flucht. Viele suchen einfach eine Existenz, einen menschenwürdigen kleinen, bescheidenen Platz auf diesem Planeten…

Wird uns die Zugehörigkeit untersagt, allein schon weil wir rein äusserlich durch Hautfarbe oder Kopftuch fremd wirken und so als Störenfriede gelten? Die wir zwar gut sind als Gastarbeiter, aber sonst sehen sollten, möglichst bald wieder dahin zurückzukehren, wo wir ehemals hergekommen sind?

Wie wichtig ist es, die Sprache zu sprechen oder gar den Dialekt, damit wir bitte nicht negativ auffallen. Oder reicht es in Multikultizeiten bereits aus, wenn wir uns halbwegs verständlich machen können. Verzeiht man mir den einen oder anderen Sprachfehler eher, wenn ich ein speziell ausgebildeter Ingenieur bin und eine Arbeit verrichte, die vor Ort - oder gar weit und breit - kein anderer verrichten könnte. Vielleicht bin ich Arzt, Herzchirurg oder einfach nur ein herzensguter Mensch, der sich in der Altenbetreuung gute Referenzen erworben hat… Bin ich dann wesentlich mehr geduldet?

Geht es im Grunde genommen vielmehr um eine Bildungskrise, statt einer Identitätskrise. Menschen mit einer guten Bildung und der Bereitschaft, sich einzubringen, sich zu engagieren, überall spontan zu helfen, mit der Gabe ausgerüstet, schnell und unbürokratisch Situationen zu erkennen, wo sie helfend einspringen können, die werden überall auf der Welt willkommen geheissen. Selbst wenn sie der Sprache nicht ganz so mächtig sind.

Gestern hatte ich den ganzen Tag gute Freunde zu Besuch. Das Wetter spielte mit, die Männer standen am Grill und die Frau in der Küche und bereitete das Drumherum vor, was zum Fleisch und Fisch gehörte. Wiedereinmal erzählten wir uns gegenseitig die Lebensläufe und es fiel mehrfach das Wort “Kriegskind”, eben, weil ich ein deutsches Kriegskind bin und unterernährt, als bereits Fünfjähriger das Glück hatte, von einem Elternpaar in Zürich aufgepäppelt zu werden.

Jens hingegen arbeitet seit 2 Monaten als Stationsleiter in der Altenbetreuung. Er ist ebenfalls Deutscher und mit all den Integrationsproblemen behaftet, die das so mit sich bringt, insbesondere des Glarner Dialekts wegen, den er verständlicherweise noch nicht so recht versteht. Jens hat sich für diese Arbeit nicht aufgedrängt. Vielmehr hatte man händeringend für diesen verantwortungsvollen Job eine Suchaktion gestartet - und nun klappts doch auch mit dem Nachbarn.

Ich will nicht allzuweit vom Thema abweichen, viemehr darauf hinaus, was im Laufe unseres Balkongesprächs sehr deutlich wurde. Identität entsteht durch Integration. Also geht es zunehmend weniger um eine Identitätskrise als vielmehr um eine Bildungskrise. Denn je übergreifender, grenzenloser die Wirtschaftsräume werden, desto differenzierter werden Arbeitsplätze identitätsmässig ausgestattet sein.

Ich kenne Firmen, nicht nur beim Bau, sondern vielmehr im Ingenieursbereich und in der Forschung. Da arbeiten Menschen aus über 30 Nationen - als erfolgreiches Team. Und keiner versteht wirklich ganz genau, was der andere so spricht. Hauptsache seine (Aus)bildung und sein Menschsein sind Garant dafür, dass zum Schluss ein über alle Zweifel erhabenes Ganzes ensteht.

Eh es in Vergessenheit gerät. Iris hatte Geburtstag. Und Jens konterte schliesslich auf meine ständige Betonung hin, dass ich ein Kriegskind sei mit dem Spruch des Nachmittags auf Balkonia:

Und ich bin ein Friedenskind...! 

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