Prof. Dr. Joachim Kohlhof EthikColleg Mehren |
Aus einem Mail vom 06.12.2010 Prof. Dr. Kohlhof an David McLion
Lieber David.
„… Die OECD ist bis heute nicht weiter gekommen in ihrem Bemühen international anerkannte Ethikstandards zu entwickeln. Aus diesem Grund gibt es auch keine internationale Ethik-Zertifizierung, die den Anspruch erhebt, aus einem wissenschaftlichen Umfeld heraus eine internationale Akkreditierung zu erhalten, so wie es beispielsweise mit der DIN Norm geschehen ist.
Die jahrelange Untätigkeit auf diesem Zertifizierungsgebiet hatte mich seinerzeit veranlasst, das schwierige Unterfangen zu beginnenn und Ethikstandards zu definieren, zu formulieren und zu bewerten, damit zertifizierungswillige Ausnahme-Unternehmen anhand der von meinem Institut für Wirtschafts- und Unternehmensethik entwickelten Ethik-Normen in der Lage sind, sich unter ethischen Kriterien zertifizieren zu lassen. Nur wenige Unternehmen wie die Brauerei Schneider - Weisse in München und Kehlheim, die Voss AG in Taufkirchen u.a. haben den Mut besessen, sich den von uns entwickelten Standards zu stellen und sie alle haben grossartig abgeschnitten. Die Folge war, dass sie ihrerseits die in der Lieferkette angesiedelten Zulieferer ebenfalls auf die Wahrung dieser Standards eingeschworen hatten, mit der Folge, dass die Wertschöpfungskette bei der Produktherstellung in hohem Maße ethischen Kriterien folgte.
Gleichwohl war der Widerstand der Banken und vieler Wirtschaftsunternehmen hoch, weil sie lieber ein „business as usual“ als ein „business responsibel“ praktizieren wollten. Ja, es gab nicht unerheblichen Widerstand der Industrie gegen eine ethische Zertifizierung. Die DEKRA hat sich bedauerlicherweise aus dem Markt der ethischen Zertifizierung zurückgezogen, weil ihre Kundschaft keinen ökonomischen Vorteil darin erkennt, sich gegenüber der Öffentlichkeit, den Mitarbeitern, vor allem den Kunden als ein fairer und verantwortungsbewusster Partner auf den Märkten zu präsentieren.
So fristet unser Entwicklungsergebnis, nämlich das erste geschlossene System der Bewertung eines ganzen Unternehmens oder Teile von ihm unter ethischen Gesichtspunkten ein stiefmütterliches Dasein, auch wenn viele Manager und Wirtschaftsführer den nach aussen hin vorgetragenen Augenschein vertreten, dass die Ethik oder auch die Nachhaltigkeit ein zukunftsweisendes Element erfolgreichen Wirtschaftens sein werden. Geschehen ist aber meines Wissens nichts.
Positiv ist dabei zu bemerken, dass der berühmte Beuth-Verlag in Berlin - der Gralshüter aller deutschen Normen - auch unser Bewertungssystem unter seine Fittiche genommen hat und unter dem Titel "Ethik im Unternehemen" mit einem Vorwort von Hans-Olaf Henkel veröffentlicht hat. Diese Normpubikation von Ethikkriterien war erstmalig im deutschsprachigen Raum erschienen und sollte der Beginn eines erfolgreichen Zertifizierungsweges werden. Da ich nur ein Exemplar dieses Buches in Bad Schönbrunn dabei hatte, wurde mir dieses Buch sehr schnell aus den Händen genommen und deshalb konnte ich es Dir in unseren späteren Gesprächen auch nicht mehr zeigen. Es hat die ISBN 978-410-16419-7. Die Mitautoren Dr. Dettmann und Berner haben großen Anteil an dem Zustandekommen dieses Werkes, das als Grundlage für alle ethischen Zertifizierungsverfahren dienen sollte.
(…) Die Synergien mit dem Ethikzentrum Zürich können also nicht bedeuten, dass wir das Rad noch einmal von vorne erfinden. Es kann nur bedeuten, dass man das bisherige Fundament ggf. weiterentwickelt und auf die Bedürfnisse von Unternehmen in der Schweiz konkret abstellt. Hier sehe ich eine Zusammenarbeit, die ein ganz konkretes Arbeiten mit der Wirtschaft und seinen Unternehmen einschliesst und nicht sich in akademischen Gesprächskreisen verliert, aus denen in den letzten Jahrzehmnten nur wenig Umsetzbares gewonnen wurde.
Zum Inhalt des Buches "Ethik im Unternehemen" noch kurz: Unser Leitfaden dient der Dokumentation von ethischen Merkmalen, die Unternehmen als vertrauensvolle und verantwortungsbewusste Marktteilnehmer und Geschäftspartner ausweisen. Das Verfahren gliedert sich in 4 Abschnitte : Corporate Ethics, Corporate Governance, Corporate Citizenship, sowie in "Ethische Bedenken des Auditors". Mit diesem Leitfaden haben wir dem Anliegen vieler Unternehmen in Deutschland und anderswo entsprechen wollen, sich am Markt und gegenüber den eigenene Mitarbeitern klar und deutlich zu ethischen Grundsätzen zu bekennen.
(…) Es ist absolut möglich, auch nur in einem speziellen Segment, Abteilung, Produkt etc. sich zertifizieren zu lassen. Es bedarf überhaupt nicht der Zertifizierung jeweils des ganzen Unternehmens. Man kann sich auch förmlich durch jedes Segment zu dem jeweils größeren Ganzen hinarbeiten, ohne dass das bis dahin Erreichte infrage gestellt werden muss. Die Frage allerdings stellt sich, ob wir einem Auditierungswunsch entsprechen können, wenn Ethik-Standards noch formuliert werden müssen, die ausserhalb des bisher entwickelten Normprogramms liegen. In der Regel sollte dies aber kein großer Hinderungsgrund sein. Die Auditierung kann nur durch die vom Ethikcolleg ausgebildeten Auditierer erfolgen, die aus unterschiedlichen Berufen stammen. Jeder Fall steht für sich und ist meist nicht kopierbar. Insofern bedarf es im Vorfeld einer genauen Markierung des jeweiligen Auftrags, des Umfangs, des Inhalts und natürlich des Arbeitsvolumens.
Herzliche Grüsse
Joachim